Software: SimX - Nadelantrieb - Vorbereitung - Konzeptphase

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Konzeptphase

Ueberblick

In der Konzeptphase erfolgt die "Transformation" der präzisierten Aufgabenstellung (Anforderungsliste) in ein optimales technisches Prinzip (meist Bau eines materiellen Funktionsmusters, mit dem die prinzipielle Realisierbarkeit nachgewiesen wird):

Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase-Ueberblick.gif
  • Die Phase des Konzipierens als Strukturbildungsprozess nutzt die Erkenntnisse der Natur- und Technikwissenschaften sowie heuristische Prinzipien.


Abstraktion der praezisierten Aufgabenstellung

Die Konzeptphase beginnt mit der Abstraktion. Die vorherige Aufgabenpräzisierung verminderte das Abstraktionsniveau der konstruktiven Lösung (es wurde "konkreter"). Zu Beginn der Konzeptphase soll nun ganz bewusst eine Abstraktion vorgenommen werden:

Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Abstraktion der Aufgstellung.gif
  • Der Abstraktionsschritt dient zum Lösen von Vorfixierungen und zum Befreien von konventionellen Vorstellungen.
  • Dafür gibt es ausgehend von der präzisierten Aufgabenstellung eine zweckmäßige Vorgehensweise mit aufeinander folgenden Stufen der Abstraktion:
  1. Wünsche weglassen;
  2. Forderungen weglassen, welche die Funktion nicht unmittelbar betreffen;
  3. quantitative in qualitative Angaben umsetzen;
  4. redundante Angaben zusammenfassen;
  5. Problem lösungsneutral formulieren.

Diese Abstraktion führt zum Wesen der Aufgabenstellung, welches in Form eines Satzes zu notieren ist:

  • Betrachtet man unser Übungsbeispiel, so besteht unabhängig von konkreten Anforderungen das Wesen dieser Aufgabe im
"Erzeugen von Braille-Schrift auf Papier"
  • Damit ist die Aufgabe weitestgehend lösungsneutral formuliert und erleichtert das Finden und Verfolgen neuer, ungewöhnlicher Varianten.


Abstraktion:

  • Distanzieren von konkreten Lösungsvorstellungen, hin zu idealisierter Funktion.
  • Auf dem Niveau von Symbolen, Zeichen bzw. allgemeinen Begriffen arbeitet man gleichzeitig mit allen potentiellen Lösungen.

Konkretisierung:

  • Realisieren von idealisierter Funktion durch unterschiedlichste Funktionsstrukturen.


Strukturvarianten:

Am Beispiel des Blindenschriftprägers soll angedeutet werden, wie beim Zergliedern in Teilfunktionen zwangsläufig Strukturvarianten entstehen:

  • Falls man einen Regelkreis für das Erzeugen des Punktes im Papier vorsieht, so kann man als eine Variante ein Stellglied für die elektrische Energiezufuhr vorsehen:
    Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Varianten von Funktionsstrukturen elektr Stellglied.gif
  • Statt der Beeinflussung der Energiezufuhr für den Wandler kann man sich als weitere Variante auch einen Eingriff in die Übertragungsstrecke zwischen Wandler und Papier vorstellen:
    Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Varianten von Funktionsstrukturen Stellglied Verformungsenergie.gif
  • Das Verhalten von Strukturvarianten kann nur sehr begrenzt numerisch simuliert werden (z.B. Zeitabläufe).
  • Funktionsstrukturen können von Experten bewertet werden (z.B. Realisierbarkeit, Einfachheit, Neuheitsgrad, ...).

Entwickeln von Funktionsstrukturen

Ist man durch Abstraktion zum Kern der Aufgabenstellung vorgedrungen, so entspricht dieser Aufgaben-Kern der Gesamtfunktion, welche durch die Lösung zu realisieren ist. Die nächsten Lösungsschritte innerhalb der Konzeptphase bewegen sich auf dem Niveau von Funktionsstrukturen:

  • Funktionsstruktur nennt man ein Blockschaltbild mit Stoff-, Energie- und Informationsfluss zur Darstellung des funktionellen Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangsgrößen eines (meist technischen) Systems.
  • Gesamtfunktion (=Kern der Aufgabenstellung) am Beispiel des Blindenschrift-Prägers:
Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Gesamtfunktion als Kern der Aufgabe.gif
  • Zergliedern in Teilfunktionen erfolgt schrittweise ausgehend von der Gesamtfunktion. Dies verringert wieder das Abstraktionsniveau der Lösung:
Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Gesamtfunktion zergliedern in Teilfunktionen.gif
  • Funktionsstruktur-Varianten entstehen zwangsläufig bei der Zergliederung in Teilfunktionen, weil eine Gesamtfunktion praktisch nie eineindeutig nur einer Struktur von Teilfunktionen zugeordnet werden kann:
Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Varianten von Funktionsstrukturen.gif

Lösungsneutralität:

  • Vermeidung vorzeitiger Fixierung auf konkrete Lösungen, indem man beim Zergliedern der Gesamtfunktion in Teilfunktionen möglichst lange allgemeine Begriffe verwendet (z.B.: wandeln, ändern, verknüpfen, leiten, speichern).
  • Lösungsneutralität bedeutet dabei "frei von konkreter physikalisch-technischer Realisierung" (reine Funktion ohne das "Wie"!), z.B.:
    Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase loesungsneutrale Funktionsstruktur.gif
  • Die Lösungsneutralität gelingt nur bis zu einem gewissen Grad, da man bereits auf dem Abstraktionsniveau der Funktionsstrukturen Vorstellungen zu Wirkprinzipien und Gestaltung entwickelt.

Varianten von Wirkstrukturen

  • Die abstrakten Teilfunktionen in den Funktionsstrukturen müssen als Nächstes mit Leben erfüllt werden.
  • Hierbei geht man wieder vorsichtig zu Werke, indem man noch nicht nach konkreten stofflich-geometrischen Realisierungen sucht.
  • Grundlage sowohl der technischen Konkretisierung als auch der Bildung numerischer Modelle bilden die Effekte:
Effekt - Gesetz (Grundzusammenhang) zur Beschreibung eines physikalischen, chemischen, technischen o.ä. Geschehens
  • Man untersucht als erstes, mit welchen Wirkprinzipien man die Teilfunktionen der Hauptfunktion realisieren kann:
Wirkprinzip - Mittels eines Effektes bzw. geometrisch-stofflicher Merkmale realisierte Teilfunktion.
Wirkstruktur - Verknüpfung von Wirkprinzipien mehrerer Teilfunktionen zum Erfüllen der Gesamtfunktion.
  • Für die Ideenproduktion bei der Varianten-Auffächerung gibt es eine Menge von Methoden (von “Monte-Carlo” bis “systematische Suche”):
    Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Varianten von Wirkstrukturen.gif
  • Man erhält Wirkstruktur-Varianten, indem man für jede Teilfunktion unterschiedliche Wirkprinzipien ansetzt und diese kombiniert (Beispiel "Blindenschrift-Präger"):
    Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase Variantenvielfalt durch kombination.gif
  • Wirkprinzipien und deren Verknüpfungen zu Wirkstrukturen können auf der Basis ihrer Effekte bereits numerisch im Rahmen eines Systemmodells simuliert und optimiert werden!

Prinziploesung

  • Durch sinnvolle Kombination von Wirkprinzipien kommt man zu einer Vielfalt von Wirkstrukturen (z.B. für das mechanische Prägen von Blindenschrift).
  • Diese Vielfalt muss danach auf der Basis von Auswahl- und Bewertungsmethoden reduziert werden (möglichst auf eine optimale Variante):
Grundlagen Entwurfsprozess - Konzeptphase freigabe zum entwerfen.gif
  • Da Musterexperimente sehr teuer und auch zeitaufwendig sind, sollte man dabei soweit wie möglich auf die numerische Simulation und Optimierung zurückgreifen.
  • Am Ende der Konzeptphase steht in der Gerätetechnik das technische Prinzip im Sinne eines ersten Funktionsmusters. Die Gestaltung der Baugruppen muss zumindest in Form von Skizzen soweit vorangeschritten sein, dass durch die Werkstatt das Funktionsmuster gebaut werden kann.
  • Der Trend geht dabei weg von der Handskizze und hin zur Nutzung von parametrisierten 3D-CAD-Modellen für diesen ersten Grobentwurf, da darauf aufbauend sowohl das Rapid Prototyping als auch die eigentliche Entwurfsphase nahtlos anschließen können.
  • Die funktionelle Phase endet nach dem Nachweis der prinzipiellen Funktionsfähigkeit mit der Freigabe zum Entwerfen.


  • Beachte: Im Rahmen der Aufgabenpräzisierung erfolgten beim Übungsbeispiel bereits grundlegende Festlegungen zur Wirkstruktur für das zu realisierende Funktionsmuster!
  • Elektrische Energie -> mechanische Energie: E-Magnet (als Topfmagnet)
  • mechanische Energie übertragen (und speichern): Prägenadel (starr mit Magnetanker verbunden) und Rückholfeder
  • Punkt in Papier prägen (mechanisch): Kugelkappe (als "Spitze" der Prägenadel) und Matrize