Software: SimX - Nadelantrieb - Vorbereitung - Modelle in Konzeptphase

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Modelle in der Konzeptphase - Besonderheiten und Zielstellung

Einordnung des Uebungsbeispiels in den Konstruktionsprozess

Der in Forschung/Entwicklung tätige Ingenieur soll Lösungen für technische Probleme finden. Der konstruktive Entwicklungsprozess ("Konstruktionsprozess") umfasst dabei den Abschnitt zwischen einer bereits vorliegenden Aufgabenstellung und der fertigen Produkt- bzw. Prozessdokumentation als Ergebnis der Aufgabenlösung:

Grundlagen Entwurfsprozess - zwischen Aufgabe und Loesung.gif
  • Entwerfen ("Entwickeln") bedeutet in der Technik, ausgehend von einer Aufgabenstellung das zu entwickelnde Objekt (z.B. ein Produkt oder einen technologischen Prozess) "vorauszudenken".
  • Als Ergebnis eines technischen Entwurfsprozesses liegt eine "Beschreibung" des zu entwickelnden Objektes und bestimmter Anforderungen an seine Realisierung vor - nicht das "Objekt" selbst!


Entwurfsprozesse als zielgerichtete geistige und schöpferische Leistungen besitzen eine sehr individuelle Ausprägung. Diese Ausprägung erfolgt sowohl durch die Organisationen in denen diese Prozesse ablaufen, als auch durch die konkreten Bearbeiter einer Entwurfsaufgabe:

  • Speziell auf dem Gebiet der Konstruktion bemüht sich seit über einem halben Jahrhundert die Konstruktionstechnik als Technikwissenschaft, die firmenspezifische Organisation von Konstruktionsprozessen zu verallgemeinern.
  • Aus diesen Bemühungen resultierte z.B. 1973 die generelle Vorgehensweise im Konstruktionsprozess nach der Richtlinie VDI 2221:
Grundlagen Entwurfsprozess - VDI-2221.gif

Beachte:

  • "Entwerfen" beschreibt innerhalb des Konstruktionsprozesses die Phase des maßlichen Gestaltens, welche sich an die Konzeptphase anschließt.
  • "Entwurfsprozess" steht umgangssprachlich aber auch als Synonym für den gesamten "konstruktiven Entwicklungsprozess" oder kurz "Konstruktionsprozess".


Alle Übungsetappen zum Beispiel "Prägenadel-Antrieb" beziehen sich auf den Abschnitt "Suche nach Lösungsprinzipien und deren Strukturen" innerhalb der Konzeptphase. Innerhalb dieser Übungsetappen stehen dabei zwei wesentliche Aspekte im Mittelpunkt:

  • Wie kommt man von einer vorgegebenen Funktionsstruktur zu einer optimalen Wirkstruktur?
  • Wie gewinnt man aus einer Wirkstruktur für die geometrisch-stoffliche Grobdimensionierung einer "prinzipiellen Lösung" die benötigten Entwurfsparameter?


Besonderheiten für Modelle in der Konzeptphase

Modelle sind Ersatzobjekte, welche man zur Gewinnung von Erkenntnis über ein Originalobjekt benutzt:

  1. Ein Modell ist immer ein Abbild von einem "Original" (d.h. von "etwas anderem"). Bei einem "Original" kann es sich auch um ein Modell handeln!
  2. Ein Modell bildet nur diejenigen Eigenschaften des Originals ab, die dem Modellbenutzer wichtig erscheinen:
    • Bestimmte Eigenschaften eines Modells werden als Eigenschaften des Originals interpretiert.
    • Es gibt immer Eigenschaften eines Modells, die keinen Bezug zum Original besitzen.
  3. Ein Modell wird pragmatisch und zweckorientiert angewendet:
    • "Minimalmodell" → mit möglichst wenig Modell hinreichend viel Erkenntnis!
    • Erlaubt ist, was im Sinne des angestrebten Erkenntnisgewinns nützt.


Innerhalb des konstruktiven Entwicklungsprozesses entsteht nur eine "Anleitung", wie das angestrebte Produkt (das "Original") zu realisieren ist! Damit ist der Entwickler zwangsläufig auf die Verwendung von "Modellen" unterschiedlichster Natur angewiesen, z.B.:


Klassische Methoden mit "Kopf, Hand, Stift und Papier" sind weiterhin wertvolle Hilfsmittel im Erkenntnisprozess. Der Trend geht jedoch auf Grund des Automatisierungspotentials eindeutig in Richtung der verstärkten Nutzung von Computermodellen:

  • Im Rahmen von Konstruktionsprozessen denkt man dabei sofort an CAD-Programme mit ihren vielfältigen Analyse-Möglichkeiten.
  • CAD-Modelle erfordern jedoch zumindest Informationen zur Grobgeometrie bzw. zur Geometrie der Schnittstellen von Baugruppen und Bauteilen des zu konstruierenden Produktes.
  • Solche Geometrie-Informationen stehen zu Beginn der Konzeptphase nur fragmentarisch als Bestandteil der Anforderungsliste zur Verfügung.


Einen Ansatzpunkt für physikalisch fundierte Modellbildung bieten die in der Konzeptphase entwickelten Wirkstrukturen mit ihren physikalischen Effekten:

  • In diesem Abschnitt der Konzeptphase liegt der Schwerpunkt auf der sogenannten Netzwerkmodellierung, wie sie für "elektrische Netzwerke mit konzentrierten Elementen" bekannt ist:
    Grundlagen Simulation - Methodik der Modellentwicklung - Teilsystem-Schnittstellen - simx elektr schaltung.gif
  • Durch Anwendung von Analogiebeziehungen ist es möglich, solche Netzwerkmodelle für unterschiedlichste physikalische Domänen zu entwickeln (Wärme, Fluidtechnik, Magnetfelder, Regelungstechnik, ...) → z.B. Mechanik:
    Grundlagen Simulation - Methodik der Modellentwicklung - Teilsystem-Schnittstellen - simx mechanische schaltung.gif
  • Dafür hat sich der Begriff der "physikalisch-objektorientierten Modellierung" etabliert.
  • Diese "Netzwerkmodellierung mit konzentrierten Elementen" repräsentiert die natürlichste Weise der physikalischen Verhaltensbeschreibung, da sie direkt auf den physikalischen Effekten basiert.
  • Als Modellierungssprache hat sich dafür Modelica als Quasi-Standard durchgesetzt. Für diese objekt-orientierte "Programmiersprache" existieren unterschiedliche grafische Benutzer-Oberflächen mit umfangreichen Bibliotheken von Modellelementen.
  • Mit dieser grafischen "Schaltungssicht" ist eine sehr intuitive Modellierung komplexer technischer Systeme und deren Simulation im Zeitbereich möglich.
  • Im Rahmen des Übungsbeispiels verwenden wir "SimulationX" als einer der ausgereiftesten grafischen Entwicklungsumgebungen für die physikalisch-objektorientierten Modellierung. Die freie Verfügbarkeit einer einschränkten Express Edition für nichtkommerzielle Zwecke ermöglicht die Bearbeitung der Übungsetappen auch auf privaten Computern.

Zielstellung der Modellnutzung in der Konzeptphase

Es existieren zwei grundsätzliche Zielstellungen für die Entwicklung von Modellen beim Dimensionieren einer Prinziplösung ("Versuchsmuster") auf Grundlage einer Wirkstruktur:

  1. Optimale Dimensionierung der Prinziplösung bei Berücksichtigung aller relevanten Effekte ("Hauptziel").
  2. Forderungen physikalisch erfüllbar? -> Auswirkung der schrittweise zu berücksichtigenden physikalischen Effekte auf die Funktion (bei jeweils optimaler Dimensionierung!).


Die Modellentwicklungsumgebung besitzt bereits die erforderlichen nummerischen Verfahren für die Simulation des zeitlichen Verhaltens konkret parametrisierter Modelle:

  • Auf dieser Basis sind einfache Analysen durch Verändern effekt-bestimmender Parameter möglich und damit auch Erkenntnis zur Auswirkung einzelner physikalischer Effekte auf das Verhalten.
  • Es fehlen jedoch z.B. im Programm SimulationX geeignete Tools der statistischen Versuchsplanung (zur detaillierten Toleranzanalyse) und der Optimierung (zur optimalen geometrisch-stofflichen Dimensionierung).
  • Wir nutzen deshalb im Rahmen der Übungsetappen als zusätzliches Programm OptiY, welches die im SimulationX fehlende Funktionalität zur Verfügung stellt. Die freie Verfügbarkeit einer einschränkten Trial Edition ermöglicht ebenfalls die Bearbeitung der Übungsetappen auf privaten Computern.


Im Ergebnis der Konzeptphase muss eine geometrisch-stoffliche Dimensionierung für eine Prinziplösung vorliegen:

  • Grundlage dieser Dimensionierung sollten überwiegend hinreichend genaue Minimalmodelle zur Simulation und Optimierung bilden.
  • Praktische Experimente sollten bei der Prototyp-Entwicklung aus Kostengründen auf die Gewinnung erforderlicher Modellparameter beschränkt bleiben.
  • Auf Grundlage der praktischen Messungen am Versuchsmuster erfolgt die Validierung der verwendeten Modelle → eventuell muss erneut ein Versuchsmuster mit verbesserten Modellen dimensioniert werden!
  • Entsprechen die Ergebnisse den Erwartungen, kann man die erarbeitete Prinziplösung mit parallel entwickelten Prinzipvarianten vergleichen.


Mit der Entscheidung für eine "optimale" Prinziplösung verlässt man dann die "Konzeptphase" und kann sich in der anschließenden "Entwurfsphase" der schrittweisen geometrisch-stofflichen Dimensionierung der endgültigen Lösung widmen.