Grundlagen: Simulation - Solver

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Modellberechnung

Simulationen mit numerischen Modellen beruhen im Wesentlichen auf der Berechnung von Modell-Ergebnissen mit Hilfe eines Gleichungslösers (Solver). In diesem Grundlagen-Kapitel liegt der Schwerpunkt auf der Erläuterung der prinzipiellen Wirkungsweise von Solvern zur Simulation dynamischer Systeme im Zeitbereich. Dabei wird beispielhaft Bezug genommen auf die Begriffe und Konzepte, wie sie im Simulationssystem SimulationX verwendet werden.

Numerische Simulation zeitkontinuierlicher Systeme

Kenngrößen eines Simulationslaufes (Zeitachse)

  • Aus Sicht des Modells läuft die Simulationszeit time bzw. t in diskreten Schritten dt von tStart bis tStop (meist vorwärts):
    Grundlagen Simulation - Modellberechnung - zeitkontinuierliche Systeme - kenngroessen simlauf.gif
  • Innerhalb des aktuellen Zeitintervalls dt werden in Abhängigkeit vom verwendeten Lösungsverfahren mehrere Stützstellen berechnet:
    • Jede Stützstelle entspricht einer einmaligen Modellberechnung. Demzufolge sind die meisten Modelldurchrechnungen Hilfsrechnungen (mit "unexakten" Werten).
    • Nach Durchführung aller Hilfsrechnungen erfolgt einmalig für das Ende des aktuellen Zeitintervalls dt eine Modellberechnung mit den "richtigen" Modellwerten.
    • Innerhalb des Modell-Algorithmus kann man auf die letzten "richtigen" Modellwerte zugreifen (in SimulationX mit der last-Funktion).
  • Bei numerischen Verfahren mit Schrittweitenregelung erfolgt eine automatische Anpassung der Schrittweite dt an die Eigenschaften des Modells zum berechneten Zeitpunkt ("Wie schnell können sich die physikalischen Zustandsgrößen ändern?"):
    • Je empfindlicher Zustandsgrößen des Modells auf andere Modellgrößen reagieren können, desto kleiner wird dt gewählt.
    • Die zulässige Rechenschritte dt kann man begrenzen (dtMin soll "ewiges" Rechnen vermeiden / dtMax soll eckige Signalverläufe vermeiden).
  • Die Berechnung mit der sich kontinuierlich anpassenden Schrittweite dt wird gestört durch Ereignis-Zeitpunkte, welche "exakt" angesteuert und berechnet werden müssen. Die Wirkungsweise der erforderliche Ereignisbehandlung wird in einem gesonderten Abschnitt erläutert.

Abschnitte eines Simulationslaufes

Ein Simulationslauf im Zeitintervall tStart ≤ time ≤ tStop besteht aus den Abschnitten INIT, DYNAMIC und FINISH. Im Folgenden wird die Aufgabe dieser Abschnitte zum einen aus numerischer Sicht erläutert. Zum anderen erfolgen Hinweise, welche Aufgaben die zugehörigen Modellabschnitte für die Nutzung von Modellen im Konstruktionsprozess übernehmen:

Grundlagen Simulation - Modellberechnung - zeitkontinuierliche Systeme - INIT-Abschnitt - beispiel ode.gif

INIT ( time = tStart )
dient der Ermittlung konsistenter Anfangswerte für alle Zustandsgrößen (Bilder aus der SimulationX-Hilfe):

  • Die Anfangswerte charakterisieren den (energetischen) Zustand des Modells zu Beginn der Simulation.
  • Anfangswerte gewöhnlicher DGL sind immer konsistent (ODE: Ordinary Differential Equation). Der Solver kann daraus eindeutig die Werte der höchsten Ableitungen berechnen (im Beispiel Beschleunigung a(tStart)=-1100 m/s²).
  • Modelle mit Zwangsbedingungen (z.B. für Getriebe) führen zu Algebro-Differenzialgleichungen (DAE: Differential Algebraic Equation). Hier können einige Zustandsgrößen nicht unabhängig voneinander gewählt werden:
    Grundlagen Simulation - Modellberechnung - zeitkontinuierliche Systeme - INIT-Abschnitt - beispiel dae.gif
  • Man muss sich entscheiden, welche Anfangswerte man definiert vorgibt (fixiert). Die nicht fixierten Anfangswerte versucht der Solver, aus den im Modell in Form von Gleichungen beschriebenen Zwangsbedingungen zu berechnen. Dies gelingt insbesondere bei stark nichtlinearen oder nicht nichteindeutigen Zusammenhängen nicht immer!
  • Man sollte möglichst viele gültige Anfangswerte vorgeben und fixieren! Nur dort, wo die analytische Berücksichtigung der Abhängigkeiten praktisch unmöglich ist, überlässt man dem Solver die Anfangswertbestimmung!

Idealisierte Netzwerkelemente besitzen konzentrierte Parameter (Punktmasse, Elastizität, Widerstand usw.):

  • Über die Dimensionierungsgleichungen der Elemente ist eine Transformation konstruktiver Kenngrößen (Geometrie und Stoffeigenschaften) in die erforderliche konzentrierten Parameter möglich.
  • Für die zeitunabhängigen konzentrierten Parameter sollte diese Dimensionierungsgleichungen in den INIT-Abschnitt der Modell implementiert werden. Es entstehen dadurch Modell-Elemente, welche mit konstruktiven (stofflich-geometrischen) Parametern gespeist werden (Abmessung, Dichte, E-Modul usw.).

DYNAMIC ( tStart ≤ time ≤ tStop )
Es wirkt die Überführungsfunktion des dynamischen Systems (DGL=dynamisches Modell):

  • Die numerische Lösung des DGL-Systems berechnet die zeitliche Entwicklung aller Zustandsgrößen in Form von Signalverläufen.
  • Alle Modellgrößen, deren Werte von den Zustandsgrößen abhängig sind, werden ebenfalls als Signalverläufe berechnet.
  • Die mit dem Modell berechneten Signalverläufe repräsentieren das zeitliche Verhalten des abgebildeten Originals.

FINISH ( time = tStop )
ermöglicht die abschließende Berechnung integraler Werte (z.B. mittlere Verlustleistung, Statistik, Fourieranalyse):

  • Im FINISH-Abschnitt des Modells sollte die automatisierte Auswertung der im DYNAMIC-Abschnitt berechneten Signalverläufe implementiert werden.
  • Wichtig für die weitere Verwertung der Simulationsergebnisse im Konstruktionsprozess sind Bewertungsgrößen, welche die Qualität des Modellverhaltens repräsentieren (z.B. Wirkungsgrad oder Kosten aus Material- und Energieverbrauch). Möglich wäre hier auch eine "ästhetische" Bewertung im Sinne der Eleganz des Bewegungsablaufs in einem Antrieb.

Ableitungs- und Integralform von DGL

Die Überführungsfunktion eines dynamischen Modells stellt ein DGL-System dar. Zur Lösung dieses DGL-Systems verwenden die Solver Verfahren der numerischen Integration:

  • Zweck der Verfahren zur numerischen Integration ist die näherungsweise Berechnung der Fläche (bestimmtes Integral) unter einem Funktionsverlauf (Ableitung).
  • Es existieren zwei grundsätzliche Möglichkeiten, um ein DGL-System zu notieren (hier am Beispiel des Pendels):
    1. Ableitungsform:
      Grundlagen Simulation - Modellberechnung - zeitkontinuierliche Systeme - differentialform.gif
    2. Integralform:
      Grundlagen Simulation - Modellberechnung - zeitkontinuierliche Systeme - integralform.gif
  • Die Integralform enthält explizit die Zustandsgrößen als Ergebnis einer numerischen Integration. Insofern ist diese Form für den technischen Anwender meist anschaulicher als die Ableitungsform.
  • Unabhängig von der im Modell gewählten Notation erfolgt durch das Simulationssystem für den Anwender unsichtbar eine Transformation in die für den Solver geeignete Form eines DGL-Systems.

Wechselwirkung von Zustandsgroesse Y und Ableitung YP

Grundlagen Simulation - Modellberechnung - zeitkontinuierliche Systeme - flaechenintegral.gif

Y(t) als Resultat einer Integral-Bildung kann geometrisch als Fläche unter dem Funktionsverlauf der zugehörigen Ableitung YP(t) interpretiert werden:

Grundlagen Simulation - Modellberechnung - zeitkontinuierliche Systeme - Wechselwirkung Y und YP - integral.gif
  • Y(t) repräsentiert in einem dynamischen Modell die Füllung eines Speicher-Elements mit Energie, Stoff bzw. Information (=Zustandsgröße). YP(t) ist dabei die Änderungsgeschwindigkeit dY/dt für die Füllung des Speicherelements.
  • Im Allgemeinen ist YP(t)=f(Y(t)), d.h. die Geschwindigkeit des Energie- /Stoff- /Info- Flusses zwischen den Speichern ist abhängig von den Potentialdifferenzen und den Übertragungselementen zwischen den Speichern.
  • Da YP(t) somit nicht explizit gegeben ist, kann Y(t) nicht hinreichend genau durch numerische Verfahren der Flächenberechnung ermittelt werden (z.B.: Trapez- /Tangentenformel oder Simpsonsche Regel).
  • Die konkreten zeitlichen Verläufe von Y(t) und YP(t) ergeben sich erst durch die zeitliche Wechselwirkung zwischen den Energiespeichern!

Zentraler Integrationskern (Solver)

Es existieren verschiedene Verfahren zur Lösung (=Simulation) von DGL mittels numerischer Integration. Diese Verfahren sind meist in einem "zentralen Integrationskern" = "Solver" implementiert:

  • Die Integral- bzw. Differential-Funktion ist die Grundlage für die Verbindung zwischen Modell und Solver:
:
a  := F/(m);
v  := integral (a,v0);
x  := integral (v,x0);
  • Es sieht auf den ersten Blick so aus, als würde über diese Funktionsaufrufe der zentrale Integrationskern vom Modell aus aufgerufen, jedoch verhält es sich umgekehrt!
  • Das Modell ist aus Sicht der numerischen Integration eine Black-Box, welche die Ableitungen der Zustandsgrößen berechnet:
    Zentraler Integrationskern

Prinzip der numerischen Integration

Das DGL-System wird durch die numerische Integration zum "Leben" erweckt. Es entwickelt eine Eigendynamik auf der Basis seiner Elemente (Speicher, Übertragungsglieder und Wandler) und ihrer Wechselwirkung. Der Solver ist in der Lage, über einen begrenzten zeitlichen Prognosehorizont den Zustand des Systems hinreichend genau vorauszusagen:

.
  • Ausgehend von den Werten der Zustandsgrößen und Eingangssignale zum aktuellen Zeitpunkt tn sowie den Modellparametern werden mit dem Modell die zeitlichen Ableitungen YP(t) der Zustandsgrößen Y(t) ermittelt.
  • Mit dieser "Abschätzung" der zeitlichen Änderung der Zustandsgrößen prognostiziert der Solver über das Zeitintervall dt die Werte der Zustandsgrößen für den Zeitpunkt tn+dt.
  • Im obigen Bild wird dies am Beispiel des EULER-Verfahrens verdeutlicht. Bei diesem Verfahren wird vereinfachend angenommen, dass die Ableitung der Zustandsgrößen im Zeitintervall dt konstant auf dem Wert YP(t) bleibt.
  • Nach der Art und Weise, wie die Prognose der Zustandsgrößen für den nächsten Integrationsschritt dt erfolgt, kann man die Verfahren der numerischen Integration grob in grundsätzliche Klassen einteilen. Diese Klassifizierung der Integrationsverfahren soll in den folgenden Abschnitten kurz vorgestellt werden.

Explizite und implizite Verfahren

  • Zum aktuellen Zeitpunkt tn können mit dem dynamischen Modell die aktuellen zeitlichen Ableitungen der Zustandsgrößen berechnet werden:
 
  • Der effektive Wert der Ableitung der Zustandsgrößen gemittelt über das gesamte Intervall dt wird unabhängig von der Einteilung in explizit/implizit durch Hinzunahme weiterer Informationen "geschätzt". Die Prinzipien dieser Abschätzung werden in den folgenden Abschnitten noch erläutert.


Explizite Verfahren betrachten den Schätzwert für die effektive Ableitung YP als hinreichend genau. Grafisch stellt sich die Prognose einer Zustandsgröße für den Zeitpunkt tn+dt als Anstieg der Tangente YP an die Zustandsgröße YP(tn) im Intervall dt dar:

 
  • Der prognostizierte Wert der Zustandsgrößen wird dann ebenfalls als hinreichend angenommen und ist Ausgangspunkt für die Berechnung des nächsten Zeitschrittes dt.


Implizite Verfahren bewegen sich im Zeitbereich nicht so geradlinig vorwärts wie explizite Verfahren. Die Berechnung jedes Zeitschrittes dt ist durch eine Iterationsschleife gekennzeichnet:

 
  • Unter Berücksichtigung des berechneten Anstiegs YP(tn) wird ein Anfangswert für die Zustandsgröße am Ende des Zeitschrittes dt Y(tn+dt) abgeschätzt (z.B. durch Extrapolation des bisherigen Signalverlauf Y(t)).
  • Der mit dem aktuellen Wert von Y(tn+dt) mittels des dynamischen Modells berechnete Anstieg YP(tn+dt) wird als Tangente an Y(tn+dt) angelegt und rückwärts zum aktuellen Zeitpunkt tn verfolgt.
  • Ziel der anschließenden Iteration ist die Verbesserung des Schätzwertes für Y(tn+dt) solange, bis die rückwärts verfolgte Tangente YP den Wert von Y(tn) hinreichend genau trifft.
  • Ist dieses Ziel erreicht, werden die aktuellen Werte der Zustandsgrößen Y(tn+dt) als hinreichend genau angenommen und das Integrationsverfahren beginnt mit der Berechnung des nächsten Zeitschrittes dt.

Einschritt- und Mehrschritt-Verfahren

Unabhängig von der Einteilung in explizite und implizite Verfahren existiert eine Unterteilung in die sogenannten Einschritt- und Mehrschritt-Verfahren.

Einschritt-Verfahren

  • "Betrachten" für die Prognose des nächsten Systemzustandes (Zeitpunkt=tn+dt) ausgehend von Y(tn) nur den aktuell auszuführenden Zeitschritt dt.
  • Je nach Genauigkeitsordnung des konkreten Verfahrens wird eine Anzahl von Systemabtastungen innerhalb dieses Zeitschrittes durchgeführt (=Modellrechnungen).
  • Nach der erfolgreichen Prognose für Y(tn+dt) rückt das vom Verfahren betrachtete Zeitfenster um dt weiter.
  • Da nur Informationen aus dem aktuellen Simulationsschritt verwendet werden, sind starke Änderungen der dynamischen Beziehungen relativ unproblematisch (Schrittweitenregelung).

Mehrschritt-Verfahren

  • Durch Bestimmung eines Interpolationspolynoms, das durch zurückliegende Zeit-Stützpunkte der Lösungsfunktion gelegt wird, kann deren weiterer Verlauf prognostiziert werden.
  • Es wird zwischen reinen Mehrschrittverfahren (Adams-Bashforth-Verfahren) und den Prädiktor-Korrektor-Verfahren unterschieden.
  • Bei Prädiktor-Korrektor-Verfahren wird der extrapolierte Wert der Lösungsfunktion in mehreren Iterationen korrigiert (implizites Verfahren).
  • Bei stetigen Modellen benötigen Mehrschritt-Verfahren weniger Abtastungen als Einschritt-Verfahren und sind somit schneller.
  • Bei Unstetigkeiten geht dieser Vorteil durch die ständigen Wiederanlaufphasen schnell verloren (erste Schritte mit Einschritt-Verfahren!).


Beispiele fuer Integrationsverfahren

Im Folgenden soll exemplarisch die Wirkungsweise wichtiger Verfahren der numerischen Integration vorgestellt werden. Aus der unterschiedlichen Wirkungsweise resultieren die unterschiedlichen Eigenschaften der Integrationsverfahren. Dieses Wissen ist nützlich, wenn man für ein konkretes Modell ein geeignetes Verfahren der numerischen Integration auswählen und konfigurieren muss.

Explizite Einschritt-Verfahren

Das EULER-Verfahren ist das einfachste Verfahren:

  • Man nimmt an, dass die Änderungsgeschwindigkeit YP der Zustandsgrößen Y über die Zeitspanne dt hinweg konstant bleibt:
     
  • Infolge der Aufsummierung der Prognosefehler wird das EULER-Verfahren sehr schnell instabil!


Beim HEUN-Verfahren wird ein Korrekturschritt angefügt:

  • Mit der nach EULER prognostizierten Zustandsgröße Y1(t+dt) berechnet man die Ableitung YP(Y1(t+dt)).
  • Dann nimmt man den Mittelwert beider Ableitungen als genauere Annahme für den Anstieg YP(t):
     
  • Der Berechnungsaufwand für einen Zeitschritt dt verdoppelt sich im Vergleich zum EULER-Verfahren.
  • Infolge der verbesserten "Abschätzung" der effektiven Ableitung im Zeitintervall dt ist jedoch der Prognosefehler um Größenordnungen geringer als beim EULER-Verfahren und das Verfahren arbeitet auch mit größeren Schrittweiten dt wesentlich stabiler als das EULER-Verfahren.


Verallgemeinerung für explizite Runge-Kutta-Verfahren :

  • Das EULER- und HEUN-Verfahren sind Runge-Kutta-Verfahren 1. bzw. 2. Ordnung.
  • Je nach Ordnung des konkreten Runge-Kutta-Verfahrens wird der Funktionswert YP(t) auf der Basis mehrerer Stützstellen (Modellrechnungen) im betrachteten Zeitschritt "geschätzt":
     
  • Die Zahl der erforderlichen Stützstellen steigt mit der Ordnung des Verfahrens. Mit der Ordnung des Verfahrens steigt auch die Genauigkeit der Berechnung.
  • Durch Ermittlung von YP(t) mittels zweier unterschiedlicher Genauigkeitsordnungen kann eine Fehlerabschätzung und Schrittweitenregelung erfolgen. Man spricht hierbei von eingebetteten Verfahren, weil für das Verfahren der niedrigeren Ordnung eine Teilmenge der Stützstellen der höheren Ordnung verwendet werden.
Implizite Mehrschritt-Verfahren
  • Bei den BDF-Verfahren (Backward-Differential Formulas) handelt es sich um implizite Verfahren mit einstellbarer Ordnung und automatischer Schrittweitensteuerung:
     
  • Auf Grundlage des bereits berechneten Verlaufs der Zustandsgröße Y(t) bis zum Zeitpunkt t erfolgt eine Startwert-Ermittlung Yo(t+dt) als Ausgangspunkt für die "exakte" Lösung Y(t+dt) je nach Ordnung des Verfahrens:
     
  • Danach erfolgt eine iterative Lösung des nichtlinearen Gleichungssystems zur Berechnung der Zustandsgrößen Y(t+dt) mit Abbruch bei der geforderten Genauigkeit.


Die BDF-Verfahren sind sogenannte Prädiktor-Korrektor-Verfahren:

  • Für jede Zustandsgröße wird bei einer Verfahrensordnung k aus k+1 bereits berechneten Werten der nächste aktuelle Wert als Anfangswert Yo(t+dt) extrapoliert (Prädiktor = Prognose durch explizites Mehrschrittverfahren).
  • Der Wert Y(t+dt)wird iterativ durch ein implizites Mehrschrittverfahren gleicher Ordnung so lange verbessert, bis bestimmte Konvergenzkriterien erfüllt sind (corrector = Verbesserer):
     
  • In jeder Korrektor-Iteration muss ein lineares Gleichungssystem gelöst werden:


res = J · (Yi-1 - Yi)
mit res = Residuen / J = Jacobimatrix / Y = Zustandsgrößen
  • Das Residuum widerspiegelt den momentanen Fehler in den Differentialgleichungen.
  • Nach jeder Iteration wird die zu Yi gehörende Ableitung mittels Modellberechnung ermittelt und "rückwärts" überprüft, ob damit Yi-1 erreicht wird (implizites Verfahren!).
  • Die Jacobi-Matrix enthält die Werte der partiellen Ableitungen aller Zustandsgrößen nach allen Zustandsgrößen (=Wechselwirkung zwischen Zustandsgrößen).
  • Die Jacobi-Matrix wird erst neu berechnet, wenn dies auf Grund von Genauigkeitskriterien als erforderlich erkannt wird (z.B. mangelnde Konvergenz). Die Berechnung erfolgt in modernen Systemen symbolisch, in älteren noch über Abtastung des Modells.

Auswahl von Integrationsverfahren

In jedem kommerziellen Simulationsprogramm zur Dynamik-Simulation sind mehrere Integrationsverfahren implementiert, welche unterschiedliche Qualitäten besitzen. Der Nutzer sollte für seine konkrete Simulationsaufgabe ein Verfahren wählen, welches:

  1. mit möglichst wenigen Stützstellen (Modellberechnungen) den zeitlichen Verlauf der Zustandsgrößen hinreichend genau ermittelt und
  2. möglichst unempfindlich auf die Änderungen von Modellparametern reagiert (also stabil rechnet).
  • Die Anzahl der erforderlichen Modellberechnungen für ein konkretes Modell wird wesentlich von der maximalen Schrittweite dt bestimmt, mit welcher ein Verfahren noch stabil rechnet.
  • Um Verfahren in Hinblick auf die maximal zulässige Schrittweite dt vergleichen zu können, wird diese in Relation gesetzt zur kleinsten Zeitkonstante T bzw. zur Periodendauer T der höchsten Eigenfrequenz im Dynamikmodell (z.B. C·R, L/R, (L·C)1/2, (m/c)1/2 ).
  • Ein Kennzeichen für die Stabilität eines Verfahrens ist das Verhalten bei Überschreiten der maximal zulässigen Schrittweite. Günstig ist hierbei, wenn sich die Genauigkeit dabei nur stetig verschlechtert.
    • EULER: dtmax ≈ T/1000 (stark aufschaukelnd)
    • HEUN: dtmax ≈ T/10 (schwach aufschaukelnd)


===>>> Dieses Kapitel wird zur Zeit erarbeitet !!! <<<===


Vorläufige weitere Gliederung:

  • Konfiguration des Solvers

Zeitdiskrete Ereignisse

  • Ereignisse im Simulationslauf
  • Numerische Definition von Ereignissen
  • Klassifizierung numerischer Ereignisse
  • Ereignisbehandlung (SimulationX)
  • Beispiel: Extremwert-"Sensoren" (SimulationX)

Lineare und nichtlineare Systeme

  • Modellcharakter von Systemen
  • Dynamische Systeme
  • Wann kann man ein System als Linear behandeln?
  • Wann muss man ein System als Nichtlinear behandeln?